Coole Farben im Crossprozess
- doeringphoto
- 5. Juni
- 4 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 6. Juli
Crossentwicklung kurz erklärt:
Entwicklung eines Films in einer "falschen" Entwicklerchemie (überkreuz/cross).
Meistens wird ein Farbdiafilm als Negativfilm entwickelt.
Wichtig: Dies sollte man dem Entwicklungslabor deutlich kommunizieren.
In meinem Keller schlummern noch viele alte Diafilme. Das Haltbarkeitsdatum ist längst abgelaufen. Ich mache Testaufnahmen und die sind ernüchternd: Flauer Kontrast und starke Farbstische, kaum zu gebrauchen. Nicht so bei der Crossentwicklung, bei der aus dem Diafilm ein Negativfilm wird. Da wird den alten Schätzchen neues Leben eingehaucht. Coole Farben, starke Kontraste und überraschende Farbverschiebungen sind das Ergebnis.

Durch die lange Lagerung verlieren Diafilme nicht so sehr an Empfindlichkeit, sondern werden flau im Kontrast ("Schleierbildung") und zeigen einen mehr oder weniger ausgeprägten Farbstich. Der Farbstich variert nach Art der langen Lagerung (Keller, Zimmertemperatur, Kühlschrank) und der Filmsorte. Meine abgelaufenen Presschrome-Diafilme (vermutlich ältere Ektachrome Emulsion) reagieren beispielsweise mit einem Magenta/Gelbstich auf die Überlagerung und einem diffusen Schleier, also flauem Kontrast. Die Crossentwicklung bringt die alten Dia-Emulsionen stärker zum leuchten. Auch hier kommt es zu einer Farbverschiebung, aber die Ergebnisse sind viel interessanter.
1: Aus Diafilm wird Negativfilm
Ich lasse einen Diafilm bewußt als Negativfilm entwickeln. Der Entwicklungsprozess heißt C-41. Dann erhalte ich auch einen Negativfilm und nicht einen Positivfilm (Diafilm). Das Ergebnis unterscheidet sich aber von den "normalen" Negativfilmen wie Kodak Gold oder Portra. Die cross entwickelten Filmstreifen sehen satter und kontrastreicher aus. Und ja, manchmal gibt es unerwartete Ergebnisse. Kodak-Diafilm reagiert anders als Agfa oder gar Fuiji.

Tipp: Verwendet man nur eine Sorte Diafilm z.B. Kodak Ektachrome und dasselbe Entwicklungslabor, lassen sich die Ergebnisse viel besser abschätzen.
2: Belichtung und Aufnahmen
Abgelaufene Diafilme verlieren nicht so sehr an Empfindlichheit wie alte Negativfilme, so meine Erfahrung. Ich belichte meine Dia-Schätzchen zunächst mit der Nennempfindlichkeit (meistens 100 ASA). Zusätzlich mache ich Belichtungsreihen (unterschiedliche Belichtungen). In der Regel belichte ich dann reichlicher: Mit einer halben oder einer ganzen Blende mehr. Bei (Farb)-Porträtaufnahmen setze ich öfter einen Aufhellblitz ein.

Der Aufhellblitz bringt die intensiven Farben der Cross-Entwicklung noch mehr zum leuchten. Dazu reicht mir oft ein kleiner Nikon-Handblitz (SB 910),den ich entweder per Funk oder Verlängerungskabel auslöse. Wenn ich direkt blitze, montiere ich eine kleine 60 cm Octasoftbox auf den Handblitz. Blende und Zeit stelle ich manuell ein.
Der Blitz wird von der Nikon F6 und sogar von der gut 30 Jahre alten F4 als TTL-Aufhellblitz gesteuert. An der Kamera (oder am Blitz) kann ich die Blitzleistung fein nach oben und unten korrigieren: plus 1 Blende und bis zu minus 3 Blendenstufen.
Bei den Motiven achte ich auf den Kontrastumfang. Der sollte nicht allzu hoch sein, weil die Cross-Entwicklung schon für stärkeren Kontrast sorgen wird. Meine belichteten Diafilme lasse ich in einem kleinen Fachlabor entwickeln. Nur Negativentwicklung und eine kleiner Indexprint dazu. Früher habe ich die Farbfilme im Zeitungslabor noch selbst entwickelt, aber das lohnt sich aus Kostengründen inzwischen nicht mehr. Mit einer starken Lupe kann ich dank des Indexprints schon mal vorsortieren. Dann scanne ich die ausgewählten Negative ohne jegliche Automatik im Rohformat (Nikon NEF-16 Bit) und dem maximalen Kontrastumfang mit meinem Nikon Filmscanner ein.
Tipp: Ein Aufhellblitz bringt bei Fashion-Shootings die intensiven Farben der Cross-Entwicklung noch mehr zum leuchten.
3: Fazit und Ergebnisse

Meine abgelaufenenen Kodak-Ektachrome (und Presschrome) Diafilme haben nach der Cross-Entwicklung einen Gelb/Magentastich. Der Agfa Diafilm (RSXII-100) reagiert auf die Crossentwicklung etwas neutraler und kommt mit einen Blau und Grünstich daher. Auch sind die Kodak Diafilme einen tick kontrastreicher im Ergebnis als der Agfa. Einen Fuji Velvia oder Astia will ich demnächst auch mal testen.
Alte Dia-Schätzchen versus frische Filme

Es gibt deutliche Unterschiede, wie neue, frische oder alte, abgelaufene Diafilme auf den Cross-Prozess reagieren. Frische Diafilme sind im Ergebnis kontrastreicher, satter und haben den für die jeweilige Filmsorte ausgeprägten Farbstich. Ich bevorzuge aber die alten, abgelaufenen Diafilme. Doch der Reihe nach:
Vor Jahren habe ich frische Diafilme (Kodak Presschrome) bei einigen Fashion-Testshootings verwendet und dann cross entwickelt. Statt in den E-6 Diaprozeß in C-41 Negativprozeß geschmissen und damals noch bei der Zeitung selbst entwickelt. Farbverschiebungen in Richtung intensives Rot und Gelb stachen heraus, dazu hatte der Film extreme Kontraste, die mein damaliger Polaroid-Filmscanner nicht wirklich in den Griff bekam. Bei alten Diafilmen deren Haltbarkeitsdatum viele Jahre abgelaufen ist, sind die Ergebnisse etwas anders. Immer noch farbintensiv aber interessanterweise weniger kontrastreich. Vermutlich liegt das an dem Schleier (Trübung), der sich im Laufe der Jahre bildet und zu einem verminderten Dynamikumfang führt. Meine Diafilme sind ja oft 20 Jahre und mehr abgelaufen.

Zudem lassen sich die alten Dia-Schätzchen, einmal im Crossprozess entwickelt, gut scannen. Auch weil mein aktueller Filmscanner (Nikon Coolscan 5000) mit höheren Filmkontrasten viel besser klar kommt als der frühere Polaroid-Sprintscan.
Natürlich könnte ich die Farbstiche beim scannen auch mit Hilfe einer Automatik gleich korrigieren (lassen). Dann geht aber der ganz spezielle Charakter der Cross-Entwicklung verloren. Und das will ich gar nicht.

Kostenfrage: Alt oder neu
Und noch ein Punkt spricht für die Verwendung alter, abgelaufener Diafilme bei der Cross-Entwicklung. Denn inzwischen spielt die Kostenfrage eine nicht unwesentliche Rolle. So sind neue Diafilme, wie der Kodak Ektachrome beispielsweise, exorbitant im Preis gestiegen. Alte Diafilme schlummern vielleicht noch irgendwo im eigenen Keller und warten nur darauf, wach geküsst und eingesetzt zu werden. Dann wird den alten Dia-Schätzchen quasi neues Leben eingehaucht. Es lohnt sich.
Tipp: Starke Farben sorgen für interessante Ergebnisse. Blauer Himmel, Ginster- oder Rapsfelder, Kirmesfahrgeschäfte, Graffiti usw... . Oder bunte Sixites-
Klamotten statt einfarbige, dunkele Outfits.
